Freitag, 6. Januar 2012

Salonumzug wegen Ariadnes Reise mit dem Faden


Liebe Salonières & Gäste,

 
Ariadne folgt ihrem roten Faden in Richtung Kreta - sie befindet sich also auf Reisen.
Darum wird der Belletri-stick Salon bis auf weiteres in den Räumen von
Penelopes Skizzenblo(ck)g weitergepflegt.
Findet den Weg!

Hier gehts lang
So long!




Freitag, 30. Dezember 2011

Die Tante Jolesch & das Café Hawelka, besticktes Kissen & Krautfleckerln


Die Tante Jolesch oder 'Der Untergang des Abendlandes in Anekdoten'

ist ein 1975 veröffentlichtes Buch des österreichischen Schriftstellers Friedrich Torberg.
„Was ein Mann schöner is wie ein Aff, is ein Luxus.“ Dieser Ausspruch der legendären Tante Jolesch, aufgrund des unbestreitbaren Wahrheitsgehaltes nicht von der Hand zu weisen, ist wohl das berühmteste Zitat in dieser an „Sagern“ überreichen Anekdotensammlung über das alte, vergangene Österreich von Friedrich Torberg.

Es wimmelt nur so vor menschlichen Originalen, schrägen Käuzen und unerreichten Geistesgrößen in der Atmosphäre des ehemaligen habsburgerischen Kulturkreises, der Welt der Boheme in Wien, Prag und Budapest. Karl Kraus, Franz Molnar, Egon Friedell, Anton Kuh, Leo Perutz, Egon Erwin Kisch und Alfred Polgar – alle erwachen wieder zum Leben und kommen zu Wort. Sie ließen es sich auch zeitlebens nie verbieten.

Aber auch unbekannte Zeitgenossen werden dem Vergessen entrissen, wie der zerstreute Religionslehrer Grün oder der geistreiche Rechtsanwalt Dr. Sperber, der einst während einer Gerichtsverhandlung ausrief: “Herr Rat, mein Klient verblödet mir unter den Händen.“

Und natürlich die Tante Jolesch, die „überall a bisserle ungern“ war und den Lauf der Welt immer auf ihre ganz spezielle Weise kommentierte: „Gott soll einen hüten vor allem, was noch ein Glück ist.“

Ein Kapitel beschäftigt sich mit dem legendären „Prager Tagblatt“, wo übrigens Torberg Redakteur war, und seiner illustren Journalistenschar, die überall zu finden war, nur in der Redaktion nicht. Dort war sie eher selten anzutreffen. Dieses „Blattl“ wurde noch von meinem seligen Großvater abonniert, weil er sie für die beste deutschsprachige Tageszeitung seiner Zeit hielt.

Aber eigentlich ist dieses Buch eine Hommage an die vergangene große Tradition des Kaffeehauses und die ganz speziellen Atmosphären, die diese Begegnungs-, Debattier- und Streitstätten ausstrahlten. Herrenhof, Cafe Central oder der Demel, überall ist es nicht mehr so wie früher. Im Herrenhof schon gar nicht, weil das gibt es auch physisch nicht mehr.

Die besonderen Atmosphären verschwanden mit ihren Insassen, den bürgerlich-jüdischen Intellektuellen, die dem Rassenwahn hitlerscher Prägung wenn nicht zum Opfer, so doch der Vertreibung anheim gefallen sind. Und viele sind nicht mehr zurückgekehrt, sind dort geblieben wo sie die erzwungene Emigration hingeschwemmt hat – auch so eine Art Tsunami, wenn kollektive Wahnzustände erzeugt werden.

An dieser intellektuellen Auslöschung hat unser Land bis heute schwer zu kiefeln, ähnlich einem Biber, der in einem Sägewerk beschäftigt ist. Man/frau braucht nur einen Blick auf unsere Presselandschaft zu werfen. Den Zustand unseres politischen Gemeinwesens als weiteres Beispiel anzuführen, möglicherweise aus dem Fehlen eines Meinungsmarktes resultierend, finde ich inzwischen schon ein bisschen humorlos.

Kein Mitglied der aktuellen Bundesregierung hätte gegen eine unterdurchschnittlich besetzte torbergsche Kaffeemannschaft auch nur das geringste Leiberl (und im Kollektiv schon gar nicht).

Torberg besticht durch eine unvergleichliche Leichtigkeit in der Sprache, ähnlich einer Welle (einer freundlichen Welle wohlgemerkt!), die einen mitnimmt und sachte an Land wieder absetzt. Stilistisch und grammatikalisch außerordentlich – an alle Sprachpolizisten: lasst die Colts stecken, Torberg war einer von euch.
via 




Die Tante Jolesch
ist vor allem eine Beschreibung von Kaffeehäusern in Anekdoten, zum Beispiel über das Café Hawelka.
Jahrelang traf sich hier die Creme der Wiener Kunst- und Literaturszene. Seit Mitte der 1950er Jahre war das Café Hawelka in der Dorotheergasse 6 "der" Anziehungspunkt für Wiens Geisteswelt: Friedrich Torberg trank dort seinen Mocca und verewigte das kleine Kafeehaus in seiner "Tante Jolesch".

Gestern las man auf Spiegel-online:

Kaffeehaus-Gründer
Leopold Hawelka ist tot
Es ist seit Jahrzehnten ein Treffpunkt für Künstler und Intellektuelle: Das Wiener Kaffeehaus "Hawelka". Nun ist der Gründer der Institution verstorben. Leopold Hawelka wurde 100 Jahre alt.

Leopold Hawelka in seinem Kaffeehaus

"Wien - Eine Legende der Wiener Kaffeehauskultur ist tot. Leopold Hawelka, Gründer des gleichnamigen berühmten Treffpunkts von Künstlern und Intellektuellen, starb am Donnerstag im Alter von 100 Jahren an Herzversagen, wie seine Tochter Herta Hawelka der Nachrichtenagentur dpa sagte. Ihr Vater gründete das nur 80 Quadratmeter große Café Hawelka 1939. "Bis vor Weihnachten letztes Jahr war er jeden Tag dort", sagte die Tochter.
Mit seinen nikotinvergilbten Wänden, Plüschsofas und charmant-übellaunigen Kellnern zog das Hawelka Künstler wie Andy Warhol, André Heller und Friedensreich Hundertwasser oder Dichter wie H. C. Artmann und Ilse Aichinger an. Das Café wurde auch zum etablierten Programmpunkt für viele Touristen und Politiker auf Wien-Besuch, darunter etwa Hans-Dietrich Genscher, Bill Clinton und Václav Havel."
luk/dpa

Pressestimmen zum Buch

»Ein nobles, schönes, lustiges, trauriges Buch. Eine kleine Recherche der verlorenen Zeit, das Panorama einer gewitzten und geistesgegenwärtigen Menschlichkeit.«
Dieter Hildebrandt, Die Zeit

»Kaum ein dicker Roman könnte fassen, was sich hier durch das Ventil des sprachlichen Witzes in bewegte Miniaturen umsetzt.«
K. H. Kramberg, Süddeutsche Zeitung
via 

Hier mein Lieblingszitat rund um die Tante Jolesch:

"Tante Joleschs Krautfleckerln

Jahrelang versuchte man der Tante Jolesch unter allen möglichen Listen und Tücken das Rezept ihrer unvergleichlichen Schöpfung herauszulocken. Umsonst, sie gabs nicht her............
Und dann also nahte für die Tante Jolesch das Ende heran, ihre Uhr war abgelaufen, die Familie hatte sich um das Sterbelager versammelt, in die gedrückte Stille klangen gemurmelte Gebete und verhaltenes Schluchzen, sonst nichts. Die Tante Jolesch lag reglos in den Kissen.Noch atmete sie.
Da faßte sich ihre Lieblingsnichte Louise ein Herz und trat vor. Aus verschnürter Kehle, aber darum nicht minder dringlich kamen ihre Worte: " Tante - ins Grab kannst du das Rezept ja doch nicht mitnehmen. Willst Du es uns nicht hinterlassen? Willst Du uns nicht endlich sagen, wieso deine Krautfleckerln immer so gut waren?
Die Tante Jolesch richtete sich mit letzter Kraft ein wenig auf: "Weil ich nie genug gemacht hab....."
Sprachs, lächelte und verschied."



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Besticktes Kissen
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Wir reichen heute: "Krautfleckerln-Häppchen"nach Senta Berger

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Senta Berger

Rezept des Lebens
DIE ZEIT, 20.11.2008 Nr. 48

»Fleckerln« sind Nudeln aus Österreich. Mit Weißkraut sind sie ein Arme-Leute-Gericht. Doch die Mutter konnte eine Delikatesse daraus machen

Krautfleckerln isst die Schauspielerin heute noch gerne. Ihre Mutter hielt sie früher unter den Bettdecken warm, bis die Tochter aus der Schule kam
Ich bin mit der sogenannten Arme-Leute-Küche aufgewachsen. Wiener Schnitzel nämlich gab es nur am Sonntag, wenn mein Vater mittags zu Hause war. Das heiße Öl in der Pfanne zischte nur so, wenn meine Mutter die panierten Schnitzel in die Pfanne warf. Mein Vater saß bereits am Tisch und trommelte leicht ungeduldig mit der Gabel gegen den Teller. Die Schnitzel meiner Mutter
waren sein Lieblingsgericht.
Meine Lieblingsgerichte dagegen waren die, die meine Mutter unter der Woche kochte: Eiernockerln mit zuckersüßem grünen Salat, Spinat mit Petersilkartoffeln oder nur Kartoffeln (natürlich sagten wir »Erdäpfel«) mit Salz und Butter. Süße Tomatensauce (natürlich hieß das »Paradeissauce«) mit kleinen Knödelchen, außerdem Bröselnudeln mit Zimt und Zucker, dazu Apfelkompott… Und am liebsten, am allerliebsten: »Krautfleckerln«.
Meine Mutter hatte zwei Schwestern, die auch wunderbare Köchinnen waren, und jede bereitete die Krautfleckerln anders zu. Kopfschüttelnd hörte meine Mutter, dass die jüngere Schwester anstelle von Piment Pfeffer verwendete. Und dass die andere, schlimmer noch, Kümmel dazugab!
Meine Mutter kochte für gewöhnlich am Abend, wenn sie von ihrer Arbeit nach Hause kam. Ich saß dann meistens bei ihr in der Küche und machte meine Hausaufgaben. Ach, wie gemütlich war das!
Der Duft des langsam gedünsteten Krauts aus dem großen Topf, dessen Deckel nur lose aufliegen durfte! Meine Mutter stand am Herd und rührte immer wieder mit dem großen hölzernen Kochlöffel das geschnittene Kraut, das langsam braun wurde. Das langsame Dünsten nämlich ist die Kunst bei den Krautfleckerln. Man muss sich Zeit nehmen. »Nicht naschen, Senta« sagte meine Mutter, wenn ich es versuchte, »das gibt’s erst morgen.«
Die fertigen Krautfleckerln kamen in einen Topf, der wurde mehrfach in Zeitungspapier eingeschlagen und unter zwei Bettdecken warmgestellt. Das war mein Mittagessen für den nächsten Tag, wenn ich von der Schule kam. Meine Mutter wollte nicht, dass ich das Essen am Gasherd aufwärmte. Sie hatte Angst vor dem Gas – und ich auch.
Heute, nach dem Tod meiner Mutter, mache ich auch hin und wieder Krautfleckerln.Dann nehme ich mir die Zeit. Und wieder sind die Fleckerln die Lieblingsspeise meiner Kinder geworden, obwohl ich sie nicht ganz so gut mache wie meine Mutter. Nahm sie mehr Zucker, weniger Essig? Mehr Schmalz, weniger Öl? Sie kochte ja nie nach Rezept. Wenn ich fragte: »Wie machst du das?«, kam die klassische Antwort: »Na, da nimmst a bissl was davon und dann a bissl was davon… Schau, ich weiß es nicht, das hat ma halt im Gfühl.«

Zubereitung

Öl und Schmalz (zu gleichen Teilen) in einem Topf erhitzen, 60–100 g Zucker darin dunkel karamellisieren.
150–250 g fein geschnittene Zwiebel beigeben, durchrösten. 600–800 g Weißkraut in circa 1 cm große Quadrate schneiden und ebenfalls mitrösten,
mit etwas Wasser oder Suppe aufgießen,
mit Salz und Piment würzen.
Etwa 30 bis 40 Minuten lang fertig dünsten, dabei trocken halten, umrühren, nicht anbrennen lassen!
200–250 Nudelfleckerln kernig kochen, mit dem Kraut vermengen.
(Die Fleckerln am Besten beim Türken kaufen oder eben in Österreich. Nicht die großen vom Italiener nehmen!)

Die Schauspielerin Senta Berger, 67, wuchs in Wien auf. Ihre Vorfahren kommen aus Ungarn und Jugoslawien – wie viele Gerichte der österreichischen Küche

Freitag, 23. Dezember 2011

Elfriede Jelinek, Engelkissen & Negroni

Klappentext

Elfriede Jelinek ist eine feinsinnige Wienerin und eine scharfzüngige Anklägerin, deren Gegner durch keinen Literaturpreis zu besänftigen sind. Sie ist eine Mode-Fetischistin und scheut sich nicht, für politische Anliegen auf die Straße zu gehen. Sie ist eine der meistfotografierten, auskunftsfreudigsten Schriftstellerinnen und hat keinen größeren Wunsch als den nach Zurückgezogenheit. Auch in ihren Büchern trägt Elfriede Jelinek Widersprüche aus, sie stellt das Triviale neben das Erhabene und behandelt ernste Themen mit Schmäh und Sarkasmus. Aus vielen Gesprächen mit Elfriede Jelinek und in ihrem Umfeld, mithilfe von wenig bekannten Texten und unerforschtem Archiv-Material kristallisiert sich hier die Geschichte einer Karriere: vom dressierten musikalischen Wunderkind zur Schriftstellerin von Weltrang.


Wer die Ehre hat, die Nobelpreisträgerin in ihrem Arbeitszimmer besuchen zu dürfen, darf sich nicht wundern, neben einer Sigmund Freud-Ausgabe auch auf die Memoiren eines Oliver Kahn zu stoßen. Elfriede Jelinek ist ein Schwamm. Banales neben Erhabenem, Daily Soap und Nestroy, eine ungeheure Krimisammlung, Illustriertentratsch –, alles wird aufgesogen, verarbeitet und in Texte umgewandelt. Doch wer ist diese höflich distanzierte und feinnervige Frau, die mal als Wiener femme fatale, mal im Yamamoto-Fummel mit Adidas kombiniert daherkommt und seit Jahren ihre Verletztheit und Wut herausschreit? Verena Mayer und Roland Koberg, dieses sympathische "gemischte Doppel", versuchte eine Annäherung. Heraus kamen Bilder eines merkwürdigen Lebens und eine kluge und detaillierte Werkschau.

Ob WG's, Künstlerfreunde, Männer -- die Dichterin ist nicht zu vereinnahmen, bleibt mehr draußen als drinnen. Ein flatterndes Wesen, diszipliniert allein in ihrer Kunst, stets bereit, dem Ungeist und der Unterdrückung eine Stimme zu verleihen.

Eine Biographie, die sich ihrem Objekt sehr behutsam nähert. Alles Reißerische wird dankenswerterweise vermieden, in seriöser und umfangreicher Recherche haben die beiden Autoren versucht, sich dem Phänomen Elfriede Jelinek zu stellen. Da kommen dann auch die Autorin zu Wort wie auch die Personen, die sie auf ihrem Weg begleiten. In dem großteils chronologisch erzählten, gut lesbaren Text werden auch die Werke Elfriede Jelineks vorgestellt - mit kurzen Textproben, Inhaltsangaben und Informationen über Entstehungsweise und Rezeption.

"Alle, die glauben, sie wüssten etwas über mich, wissen nichts," schreibt Elfriede Jelinek. Nach der Lektüre dieses Buches ist die Person und Schriftstellerin etwas greifbarer geworden, ohne die Distanz aufgegeben zu haben. Dass man, um noch mehr zu erfahren und zu erspüren, auf das Werk der Elfriede Jelinek zurückgreifen wird, ist das Verdienst dieser Biographie.

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Engelkissen - bestickt
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Wir reichen heute: Negroni
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via German Abendbrot

Frohe Weihnachten & Salute! Bis nächsten Freitag im Belletri-stick Salon...

Freitag, 16. Dezember 2011

Ein Tag im Jahr, Handschuhstulpen & Macarons noir


1960 erging an die Schriftsteller der Welt ein Aufruf der Moskauer Zeitung Iswestija, sie möge den 27. September dieses Jahres so genau wie möglich beschreiben. Maxim Gorki hatte 1936 damit begonnen, "Einen Tag der Welt", wie es damals hieß, zu porträtieren. Christa Wolf reizte diese Idee, sie hat dann aber nicht nur den 27. September 1960 beschrieben, sondern von diesem Jahr an jeden darauffolgenden 27. September genau beobachtet und festgehalten, "mehr als die Hälfte ihres erwachsenen Lebens".

1960 erging an die Schriftsteller der Welt ein Aufruf der Moskauer Zeitung Iswestija, sie mögen den 27. September dieses Jahres so genau wie möglich beschreiben. Maxim Gorki hatte 1936 damit begonnen, »Einen Tag der Welt«, wie es damals hieß, zu porträtieren - mit großer Resonanz.

Christa Wolf reizte diese Idee, sie hat dann aber nicht nur den 27. September 1960 beschrieben, sondern von diesem Jahr an jeden darauffolgenden 27. September genau beobachtet und festgehalten, »mehr als die Hälfte ihres erwachsenen Lebens« - ein einmaliges literarisches Projekt, das nun veröffentlicht werden kann.

»Wie kommt Leben zustande?« - diese Frage beschäftigt Christa Wolf über all die Jahre. Die Familie spielt dabei eine wichtige Rolle und auf welche Weise sich ihr Beruf, das Schreiben, mit den häuslichen Anforderungen verbinden läßt. Das Schreiben und wie es ihr gelingt, das Tor zu dem »unerschöpflichen Bereich des Unbewußten« und Verbotenen aufzustoßen, ist eines ihrer immer wiederkehrenden Themen.
Und auch die Zeitereignisse, die sie in Bann halten, notiert sie von Jahr zu Jahr genau, die Politik, die sie betrifft, und den Zustand des Landes, in dem sie anteilnehmend lebt.

Ein Tag im Jahr ist Christa Wolfs persönlichstes Buch: ein bewegendes Dokument der deutschen Literatur in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, ein einmaliger Bericht vom Leben im "anderen Deutschland", ein authentisches Werk der autobiographischen Literatur.

Allein mit unserer Zeit
Die DDR sitzt mit am Tisch: Christa Wolfs 41 Herbsttage
So sieht an einem Donnerstag im Jahr 1979 das Leben in Mecklenburg aus: „Eine neue Schule, in der es noch nach Kalk und Farbe riecht, die POS II. Frau B. wartet schon, der Raum, in dem die Lesung sein soll, sonst das Lehrerzimmer, füllt sich. Tische mit glänzenden Sprelakartplatten in Hufeisenform aufgestellt, giftgrüne Platzdeckchen, die keine Funktion haben, über sie verteilt, an der Wand ein strahlender jugendlicher Honecker vor himmelblauem Bildhintergrund: sicher von einem Werbefachmann so arrangiert. Herr St. leitet ein.” Eine Erzählung könnte so beginnen, eine der beliebten Prosaminiaturen über die Gattung des lesenden, diskutierenden Schriftstellers.
Aber eine Geschichte zum Anfassen, „etwas Festes, Greifbares, wie ein Topf mit zwei Henkeln”, will sich nicht ablesen lassen aus den 41 Berichten über einen „Tag im Jahr”, die Christa Wolf seit 1960 alljährlich geschrieben und nun veröffentlicht hat. Es handelt sich nicht um die Kapitel eines Romans verlorener Illusionen. Gewiss, man kann hier noch einmal verfolgen wie aus der jungen Christa Wolf, die 1960 in Halle mit ihrem Mann Gerhard Wolf recht ernst über „Kunst und Revolution, Politik und Kunst, Ideologie und Literatur” spricht, die weltberühmte Autorin wird, deren Weltverhältnis Ende der sechziger Jahre bricht und gebrochen bleibt. Es mag, wer will, in diesem umfänglichen Buch nach Formeln suchen, die Christa Wolfs Verhältnis zur DDR erfassen. Dem besonderen Reiz dieser Tagebuchblätter wird eine solche Suche nach „Stellen” nicht gerecht.
Eine Idee Maxim Gorkis aufgreifend, hatte 1960 die im Jahr der Oktoberrevolution gegründete „Iswestija” die Schriftsteller der Welt aufgerufen, den 27. September zu beschreiben, einen Tag wie Dutzende andere auch. „Als erstes beim Erwachen der Gedanke: Der Tag wird wieder anders verlaufen als geplant”, begann Christa Wolf ihren Bericht, er wurde vierzehn Jahre später veröffentlicht. Das Datum blieb markiert im Kalender. Gegen die Furie des Verschwindens, „diesen unaufhaltsamen Verlust von Dasein” setzte sich, mal in freudvoller Erwartung, mal pflichtbewusst Christa Wolf in jedem Herbst an die Schreibmaschine.
Ein solches Unternehmen hat seine Tücken. Man verliert die Unbefangenheit gegenüber einem Tag, wenn man weiß, dass man über ihn schreiben wird. Auch gab es Jahre, in denen am Tag selber keine Zeit blieb zur Niederschrift, die dann erst später erfolgte. Aber dem literarischen Programm Christa Wolfs kam der Aufruf der „Iswestija” dennoch sehr entgegen.
Wie man keinen Gewinn macht
Von einem Garten, grün, wuchernd, üppig, wild, dem „Garten überhaupt” handelt eine der schönsten Erzählungen von Christa Wolf, „Juninachmittag” aus dem Jahr 1965. Hier fand sie zu ihrem Ton. Die Erzählung war auch eine Verteidigung des Alltags, des Familienlebens gegen allerlei Ansprüche von außen, gegen den Bitterfelder Zwang zum halb Heroischen, halb Produktiven. Und sie wurde nur deshalb nicht zur blumig-duftenden Wiesenidylle, weil die Ansprüche der Welt doch nicht geleugnet, weil im Gegenteil aus dem Garten heraus Ansprüche auf Welt angemeldet wurden.
Darin liegt wohl der andauernde Grundkonflikt dieses Lebens. „Viel Zeit vertan mit falschen ,Engagements‘”, notiert Christa Wolf 1977. „Sich selbst nicht so wichtig nehmen, die eigene Rolle realistisch einschätzen, ist vielleicht auch eine Art von Resignation.” Sie sucht einen Winkel, „in dem man mich einfach leben ließe, ohne Verdächtigung, ohne Beschimpfung, ohne den Zwang, mich andauernd vor anderen und vor mir verteidigen zu müssen dafür, daß ich so bin oder: so werde.” Aber sie weiß, dass es diesen Winkel für sie nicht gibt und dass sie es darin auch nicht lange aushalten würde. „Eigentlich habe ich eine Abseits-Rolle nie angestrebt”, heißt es 1979.
Wer „Ein Tag im Jahr” zur Hand nimmt, ist versucht, sofort die entscheidenden Jahre nachzuschlagen: Mauerbau, 11. Plenum, Prager Frühling, Biermann-Ausbürgerung, Wende. Aber das Buch sperrt sich dagegen, will nicht als Kommentar zur Zeitgeschichte gelesen werden. Der alltägliche Rhythmus aus Aufstehen, Einkaufen, Kinder versorgen, Kochen, Schreiben, Schlafengehen behauptet sein Eigenrecht gegen die Zeitgeschichte wie gegen den Zwang und den Wunsch, das eigene Leben als sinnvolle Folge von Ereignissen zu erzählen.
Aber die DDR, die ihren Bürgern ein fast familiäres Verhältnis der Nähe aufgezwungen hat, die nicht bloß Staat, sondern Lebensform sein wollte, sitzt immer mit am Tisch. Das kommt dem menschlichen Bedürfnis zur Einmischung, zum Wirken entgegen, weckt aber früh schon auch den Wunsch, intensiv in Ruhe gelassen zu werden, nach Innen gewendete Fluchtgedanken: „Ich sehe, daß die nächsten Jahre schlimm werden, daß man sich nur einigermaßen bewahren kann, wenn man sich nicht den üblichen Massenveranstaltungen aussetzt, daß aber dies wieder zu einer gewissen Isolierung und Lebensfremdheit führen muß ... Ich spüre es bei jeder Berührung mit der Öffentlichkeit. Die eigene Welt, die wir uns gezimmert haben, kann nicht ewig halten. Jedem Auto, das nachts bei uns vorbeifährt, lausche ich nach.”
Der Leser lernt in diesen Tagebuchblättern vor allem die Familie Wolf kennen: die Töchter, Annette und Tinka, deren Freunde und Männer, und Gerhard Wolf, den Begleiter all der Jahre, den beruhigenden, kritisierenden, ermunternden Gesprächspartner. 1990 sitzt das Ehepaar beim Steuerberater, Gerhard Wolf hat seinen Verlag Janus Press gegründet. Welchen Gewinn er denn erwirtschaften wolle: „Gar keinen. Er wolle endlich die Bücher machen, die ihm schon lange am Herzen gelegen hätten.”
Dass er das erst 1990 kann, sagt genug über die DDR. Dennoch ist der Bericht vom 27. September 1990, während der Kampagne gegen „Was bleibt” geschrieben, der wohl bitterste aller dieser Einträge aus dem Herbst. Kurz notiert wird das Gespräch mit einem amerikanischen Psychoanalytiker: „Aber guck dir doch die an, die gegen dich losziehen! Sie sind selbst leer, hassen das Lebendige in Dir. Oder nehmen sich selbst etwas übel und müssen ihren Selbsthaß auf dich projizieren! – Ich immer wieder: Ja, ja. Aber es bleibt ein Rest, wo sie recht haben. – Er: Sie haben nicht recht. Die Schuld, die du empfindest, ist eine andere, als sie dir einreden wollen.”
Zwanzig Collagen Martin Hoffmanns, zusammengestellt aus Pressefotos und Schnappschüssen vom Alltagsleben, Kneipenszenen, Versammlungen oder einen Pioniernachmittag zeigend, illustrieren das Buch. Ähnlich verfährt Christa Wolf beim Schreiben. Zwischen Aufstehen und Zu-Bett-Gehen ist Platz für Landschaftsschilderungen, Einkäufe im Dorfkonsum oder im Intershop, für Gespräche, Zufallsbegegnungen, Telefonate, Lesungen, Fernseheindrücke, Lektüre. Von Halle zog die Familie zunächst nach Kleinmachnow, später nach Berlin. Viel ist vom Haus in Mecklenburg die Rede, das die Leser aus „Sommerstück” kennen. Es gibt Berichte aus Köln, wo Christa Wolf an der Trauerfeier für Heinrich Böll teilnahm, aus Zürich, wo sie Max Frisch traf, und aus Santa Monica. Durch das serielle Prinzip erhält der Leser Einblick ins Wolfsche Universum, fragt sich, welches Geschenk Tochter Tinka, die am 28. September Geburtstag hat, in diesem Jahr erhalten wird, fürchtet die Eintragungen über Schlaflosigkeit, Krankheiten, Enttäuschungen.
Es ist eine sehr stabile Welt, von innen beunruhigt durch den Versuch, sich selbst verständlich zu werden, das eigene Verhalten zu erklären, auch zu rechtfertigen. Aber das lässt Mitte der neunziger Jahre nach. „Anscheinend bin ich aus dem Status der Zeitgenossin in den der Zeitzeugin gerutscht.” Die Frage nach Versagen, Verdienst und Schuld ist der Frage gewichen, wie es gewesen und geworden ist. So werden diese persönlichen Tagebuchblätter zu einem Dokument. Sie erzählen, wie man sich selbst historisch wird. Das ist ein Schritt in die Freiheit.
JENS BISKY Süddeutsche via 



 
 
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Gestrickte Handschuhstulpen
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Wir reichen heute: Macarons noir
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Lasst es Euch schmecken! Bis nächsten Freitag im Belletri-stick Salon...
 
 

Freitag, 9. Dezember 2011

Das amerikanische Hospital, Bestickter Stiefel & Siebenbürger Kleingebäck


Das amerikanische Hospital - Gottes Werk und Doktors Beitrag


Die Ethik ist die Lehre vom Guten. Ist sie auch selbst etwas Gutes? Wozu ist sie gut? Eine Antwort, auf die einen die Lektüre von Michael Kleebergs Roman „Das amerikanische Hospital“ bringen kann, lautet: zur Ablenkung, zum Zeitvertreib. Der Roman handelt von einer Französin namens Hélène, die sich im Amerikanischen Hospital von Paris einer künstlichen Befruchtung unterzieht. Die drei Monate zwischen dem ersten Beratungsgespräch und dem Beginn der Behandlung sind „mit Tätigkeit gefüllt“. Der Erzähler zählt die medizinischen Untersuchungen und administrativen Prozeduren auf, die Hélène und ihr Mann abzuhaken haben. Als bereiteten sie sich auf eines der für die französische Bildungswelt charakteristischen Examina vor, müssen sie „sich anhand mehrerer Broschüren und Bücher in die technischen und ethischen Aspekte der medizinisch assistierten Prokreation und ihrer Alternativen einlesen“. Aber die Entscheidung ist gefallen, und die obligatorische Lektüre dient nur dazu, die Frage gar nicht aufkommen zu lassen, ob die Entscheidung die richtige war.
Indem sich Hélène in die Hände von Doktor Le Goff begibt, der so heißt wie der berühmte Historiker des Fegefeuers, beginnt eine Höllenfahrt. Der Plan, den Leib zu überlisten, dort auf technischem Wege zu implantieren, was sich natürlich nicht entwickeln will, ist ein Rezept für furchtbare Qualen. Das ist die Botschaft des Buches, die freilich nicht im Stil und mit dem Anspruch eines medizinkritischen Pamphlets entwickelt wird, sondern durch den Einsatz aller Hausmittel der Romankunst. Die Geschichte wird im Rückblick erzählt, und was den Zusammenhang stiftet, sind Suggestionen der Fatalität. Dieser Roman Kleebergs ist nicht lang, und leicht kann es geschehen, dass man ihn in einem Zug durchliest. In der bezwingenden Logik der Form liegt auch eine Relativierung des Gehalts. Man muss nicht darauf dringen, dass die Ethikkommissionen von IVF-Kliniken nun dieses Buch der Pflichtlektüre zuschlagen; was der Roman zur Evidenz bringen kann, ist nur die Moral seiner Geschichte. Allerdings wird im Roman am Beispiel der Lyrik auch die Fähigkeit der Literatur erörtert, Erfahrungen eines Einzellebens festzuhalten, die ein Fremder nachempfinden kann. Am Ende des Romans stellt sich heraus, dass der Erzähler ein Beteiligter ist.
Es geht um den ersten Golfkrieg
Wo die Behandlung nach Plan verläuft, wird sie nicht in den Einzelheiten beschrieben. Die lateinischen Namen der einzelnen Schritte versprechen, dass Le Goff, der gelehrte Spezialist, die Sache im Griff hat. Für die Komplikationen gibt es ähnlich entlegene Fremdwörter mit derselben anästhesierenden Wirkung. In diesen Passagen ist der Stil des Romans klinisch im Sinne schonender Diskretion. Drastisch geschildert wird dagegen der Horror des in den Zeitplänen nicht vorgesehenen Abbruchs des Prozesses, die plötzliche Abstoßung des Gebildes, das unter permanenter Überwachung herangewachsen ist. Hélène beseitigt die Spuren, ohne ihren Mann zu wecken, und ihr fällt für das, was sie im Badezimmer fortwischt, eine englische Wendung ein: „a bloody mess“.
Sie hat die Formulierung von einem Amerikaner gehört, dem Armeeoffizier David Cote, den sie in der Lobby des Amerikanischen Hospitals kennengelernt hat, als Quintessenz einer Geschichte, die Cote ihr zunächst nicht erzählte. Sie musste ihn erst ausdrücklich bitten, von seinen Kriegserlebnissen zu reden. Es geht um den ersten Golfkrieg, der Roman spielt in den frühen neunziger Jahren. Die erste von Cotes Geschichten aus dem Krieg wird nachgetragen; der Erzähler präsentiert Cotes Erzählung als Nacherzählung im Kopf Hélènes, die in der Erinnerung an den Bericht des Amerikaners ein Bild ihres eigenen Unglücks findet und eine Art von Ablenkung zugleich. So wird das Problematische der narrativen Ästhetisierung des Grausamen markiert und angedeutet, dass hier eine psychische Motorik am Werk ist, der man mit ethischen Kategorien aus dem Lehrbuch nicht beikommt.
Der Roman ist ein Experiment
Was der traumatisierte Hauptmann erzählt hat, ergibt ein Bild des reinen Schreckens. Es ist unerträglich, sich das Geschehen als tatsächliches vorzustellen; dass die Szene sich einbrennt, hat aber in obszöner Weise mit einer ästhetischen Qualität zu tun, mit einer Travestie der märchenhaften Schönheit von Tausendundeiner Nacht. Die Leidenden sind hier noch keine Menschen, sondern Tiere. Doch das Fabelmotiv hat seine eigene Furchtbarkeit. In aller Unschuld müssen die Tiere zugrunde gehen; sie wissen nicht, wie ihnen geschieht. Sieben Ibisse landen in majestätischem Flug auf einem See. Der See besteht aus Rohöl. Die Vögel ersticken, öffnen die Schnäbel, „als bettelten sie die Sonne an“, und lassen ein Krächzen hören, in einer makabren Parodie des sterbenden Schwans.
Darf man die Schrecken des Krieges und die Leiden einer unfruchtbaren Frau in Beziehung setzen? Der Roman macht die Probe auf dieses Exempel der Metaphernfabrikation, der wechselseitigen Bedeutungsübertragung. Er ist ein Experiment, dessen Bedingungen der Autor bestimmt. Hier tritt der poetologische Nebensinn des Romantitels hervor. Nicht nur treffen sich Hélène und Cote immer auf dem Boden des Amerikanischen Hospitals; nicht nur ergibt sich aus der Verschränkung der Behandlungszyklen der Handlungsrhythmus. Der Autor selbst ist auch eine Art Chefarzt: Wenn er aus einem Männerschicksal und einem Frauenschicksal einen Roman macht, ist das eine ähnliche Operation wie die Nachhilfe bei der Verschmelzung von Ei und Samenzelle.
Menschheit durchaus im Sinne der Französischen Revolution
Gleichsam als Kulisse bleibt das Künstliche, Geschaffene der Konstellation gegenwärtig, indem der Erzähler alles aus der Begegnung der beiden Hauptfiguren entwickelt und bei der Ausstattung mit Details eine Ökonomie walten lässt, die für das Gesundheitssystem ein Maßstab sein könnte. Wie in Ford Madox Fords Roman „The Good Soldier“ wird das Typische der Figuren betont: Hauptmann Cote firmiert meistens als der Amerikaner, und Hélènes Meinungskostüme kommen von der Stange französischer Nationalvorurteile. Anders als Doktor Le Goff kann Michael Kleeberg mit Fingerspitzengefühl etwas ausrichten: Er nimmt keine Gleichsetzung vor, alle Vergleichbarkeiten - die Psychiater wollen nachträglich Cotes Kriegserfahrung begradigen, wie Le Goff von außen Hélènes Hormonkurven manipuliert - bleiben relativ zu den Horizonten der Protagonisten und jederzeit punktuell. Die Gespräche geraten immer wieder ins Stocken, versiegen, brechen ab. Für die Hemmungen und Schroffheiten, die in dieser unwahrscheinlichen Freundschaft ein Ausdruck der Offenheit und des Vertrauens sind, findet Michael Kleeberg eine Syntax von anrührender Lakonie.
Der von Panik zerfressene Kriegsheld Cote muss sich in Begleitung Hélènes die Welt jenseits des Hospitals Schritt für Schritt zurückerobern. Zuerst führen ihre Spaziergänge sie in Parks, also an befriedete, kunstvoll hergerichtete Stätten. An dem Tag, als Hélène endlich Le Goff den Dienst aufkündigt, ist Generalstreik in Paris. Die Metro fährt nicht, und Hélène und der Amerikaner werden hineingezogen in die Menschenmasse, die sich durch die Riesenstadt wälzt. Großartig gestaltet Kleeberg diese Überwältigung durch die soziale und körperliche Wirklichkeit, die Menschheit durchaus im pathetischen Sinne der Französischen Revolution. Auch in diesem Ausnahmezustand versagt er es sich, den Wunderheiler zu spielen, und den beiden Geretteten die Liebesgeschichte anzudichten, die sich der Leser vielleicht gewünscht hat. Hélène und der Amerikaner trennen sich am Ufer der Seine, und ihnen bleiben Fetzen von Gedichten, Geschichten von Geschichten oder der Gedanke an einen Ausflug, den sie nie gemacht haben, als Chiffren eines hypothetischen Glücks.



 Erster Satz:



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Bestickter Stiefel
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Wir reichen heute: Siebenbürger Kleingebäck
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Lasst es Euch schmecken! Bis nächsten Freitag im Belletri-stick Salon...
 
 
 

Freitag, 2. Dezember 2011

Unmögliches Weihnachtsbuch, bestrickte Christbaumkugel & Siebenbürger Kleingebäck

Weihnachten – das unmöglichste alle Bücher



Pressestimmen:
»Weihnachten wie nie. Anzüglich, unziemlich, lecker.« Die Welt
»Ein neues literarischkulinarisches Menü vom Allerfeinsten.« Focus
»Ein Fest von einem Buch.« NDR Kultur
Kann man dem Vorwort glauben? Wenn ja so ist dieses Buch aus einer Schwindelei entstanden. “Was machen wir als nächstes?” fragte der Verleger das erfolgreiche Autorentrio, das mit dem wunderbaren Band “Wurst” im vergangenen Jahr eben dieser die angemessene Referenz erwiesen hatte. Nur wollten die Herren diesmal nicht so recht, es gab reichlich wegzukochen, -zeichnen und -dichten. “Ich hielt mich für besonders gerissen und schlug das unmöglichste alle Bücher vor. ‘Weihnachten’, sagte ich. Damit wären wir aus dem Schneider. Mein Kalkül war: Zum Thema Weihnachten kann man wirklich kein Buch mehr machen.”


Falsch kalkuliert, Herr Droste. Dem Verleger gefiel die Idee: “Das machen wir, das ist doch eine Aufgabe: aus diesem vermeintlich komplett und kitschig kommerziell abgegrasten Thema die Sustanz herausholen! Also – die Sache ist perfekt!”
Derart soll es gewesen sein, und warum auch nicht? Wer das Buch in der Hand hält, dem ist es ganz egal, auf welchem glatten Eis es entstanden ist.
Denn so kann ein Weihnachtsbuch auch aussehen: sinnliche Bilder von Nikolaus Heidelbach, Erinnerungen und Rezepte aus Vincent Klinks schwäbischer Heimat und besinnlich-böse Texte von Wiglaf Droste, wie sein Gedicht “Zur Weihnachtszeit Besinnlichkeit”, in dem es unter anderem heißt:
“Draußen weihnachtsmarkten alle,
Strampeln in der Kaufrauschfalle.
Machen nichts als Remmi-Demmi.
Lauter als Motörheads Lemmie,
Stopfen sich mit Formfleischhäppchen
Voll und jagen geizgeil Schnäppchen,
Gieren auf den schnellen Fitsch.
Dazu flimmert Weihnachtskitsch.”
Vincent Klink, dessen Restaurant Wielandshöhe in Stuttgart Gourmets von nah und fern anlockt, verrät einige Rezepte und erzählt dazu Geschichten, wie nur er sie erzählen kann: ironisch distanziert und doch voller Seele, und er liefert über die Gaumenfreude hinaus noch einen weiteren sinnvollen Grund für üppige Küche: “Fettfrohe Familienfeste können sehr friedensstiftend sein. Vetragen sich die Verwandten unterm Jahr nicht, unter dem Dikat der Gans werden alle Beteiligten sanft, nachgiebig, allerdings auch schläfrig. Gänse waren schon immer für den Frieden gut. Sie beschützten die Römer und retteten sie oft vor Angriffen unserer keulenschwingenden Altvorderen.”
Schön üppig sind Nikolaus Heidelbachs Illustrationen ausgefallen, das gilt sowohl für ihre Anzahl als auch für die Darstellungen; wo und wie der Mann sich überall Weihnachtsmänner und Engel vorstellt sei hier nicht weiter verraten, schließlich soll das Buch von Kräften gekauft werden. Aber ein knuspriges Vorfreude-Plätzchen haben wir doch: Wiglaf Droste hat den Herrenzimmerlesern zwei ganz feine Geschichte überlassen: Ein Papst in der Post – Heiligabend im Himmel und Weihnachten rot-weiß.

Wer die Finger nicht ganz von Weihnachten lassen mag, dem sei dieses Buch von Herzen empfohlen. Hoch und unheilig versprochen: Mit dem üblichen Weihnachtsknuddelkitsch hat es nicht das geringste zu tun.
Die Rezepte:
  • Karpfenfilet mit Lebkuchen und Weißbier
  • Die Ur-, Geburts- und Festtagssuppe (Wiglaf Droste)
  • Ente in Sherrysauce
  • Scharfe jüdische Gänsesuppe
  • Ofenschlupfer nach Tante Agathe
  • Weihnachtliche Maultaschen
  • Vincents Mandelplätzchen
  • Tarte Tatin


v. l. n. r.: Wiglaf Droste, Nikolaus Heidelbach, Vincent Klink. Illustration: Nikolaus Heidelbach

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Bestrickte Christbaumkugel
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Wir reichen heute: Siebenbürger Kleingebäck
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Lasst es Euch schmecken! Bis nächsten Freitag im Belletri-stick Salon...